Zur Politisierung von Erkenntnis und Körper
Möglichkeiten einer transdisziplinären feministischen Wissenschaftskritik
Dieses Projekt ist eine gemeinsame Unternehmung von mir und der Soziologin Julia Hertlein, der Philosophin Iris Mendel und der Psychologin Julia Riegler. Auf diese Weise zusammenzuarbeiten hatte einen bedeutenden Einfluss auf unser Verständnis von Wissenschaft als kollektives und transdisziplinäres Unterfangen.
Unseren Ausgangspunkt bildet die Beobachtung, dass der Ausschluss oder die Unterrepräsentation von Frauen in der Wissenschaft nicht nur ein wiederkehrendes Thema in feministischer Wissenschaftskritik, sondern auch im aktuellen öffentlichen Diskurs ist. Die Unterrepräsentation von Frauen in der Wissenschaft hat auch im öffentlichen Vorgehen zu größeren Bemühungen geführt (z.B. “gender mainstreaming”). Aber die Implikationen einer androzentrischen Epistemologie, Methodologie und der Vorstellungen über den weiblichen Körper begründen verdeckte Machtmechanismen, die den wissenschaftlichen Bereich strukturieren. Wir behaupten, dass es für eine gerechte wissenschaftliche Praxis notwendig ist, genau diese Mechanismen auf den Ebenen der Epistemologie, Methodologie und Theoriebildung (besonders in Bezug auf Theorien über den weiblichen Körper, Sexualität und Schönheit) zu hinterfragen und politisch zu thematisieren. Um alternative Strategien und Konzepte entwickeln zu können, ist es zunächst entscheidend, die Strukturen und Funktionsweisen des Androzentrismus in der Wissenschaft aufzudecken. Da Androzentrismus ein vielschichtiges Phänomen ist, kann nur ein transdisziplinärer Forschungsansatz diese Aufgabe bewältigen. Unser gemeinsames Forschungsprojekt konzentriert sich (1) auf die Körperpolitik, die wissenschaftlichen Konstruktionen innewohnt, und die Normalisierung von Schönheit und Sexualität in Bezug auf biomedizinische Diskurse und (2) auf die Politik der Epistemologie und Methodologie in den Humanwissenschaften.
Unsere transdisziplinäre Forschungsagenda orientiert sich an folgenden Kernfragen: Wie kann der Androzentrismus in den Wissenschaften aufgedeckt werden? Wie wird „das Weibliche“ durch wissenschaftliche Diskurse hergestellt und welche Normen und Normalisierungen werden dabei angewendet? Welche Arten von Wissen und wissenden Subjekten werden dadurch ausgeschlossen? In welchem Ausmaß wird das Objekt (Subjekt) der Forschung selbst durch (unbewusste) epistemologische und methodologische Annahmen erst erzeugt? Was könnte durch eine feministische Konstituierung der erforschten Phänomene gewonnen werden?
In diesem Zusammenhang untersucht mein Projekt die wissenschaftliche Konstruktion von „Schönheit“ und „Geschlecht“ innerhalb der evolutionspsychologischen Attraktivitätsforschung. Die Analyse orientiert sich an zwei wissenschaftlichen Kritikbegriffen. Die erste, immanente Kritik zielt auf die Falsifikation wissenschaftlicher Hypothesen ab. Unter Verwendung dieses Kritikbegriffes hinterfrage ich zunächst die wissenschaftlichen Belege für zentrale theoretische Annahmen der evolutionspsychologischen Attraktivitätsforschung. Die zweite Art von Kritik analysiert die historischen und sozialen Bedingungen von Forschungen. Folglich stelle ich die Frage, welche Bedingungen gegeben sein mussten, damit der evolutionspsychologische Ansatz in der psychologischen Attraktivitätsforschung der 1990er Jahre vorherrschend werden konnte. Die Analyse soll darstellen, ob und wie aktuelle soziale Beziehungen und Ungleichheiten durch die evolutionspsychologische Attraktivitätsforschung normalisiert und stabilisiert werden.